Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Japanologisches Seminar

 

 

Proseminar Gesellschaft Japans

Dr. Hans Dieter Ölschleger

Wintersemester 2002 / 2003

 

 

 

 

Proseminararbeit

Frauenwahlrecht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jonas von Malottki                                          

                                                       

                                      E-Mail: yoshtecNOSPÄM@gmx.net

 

PDF:      http://www.yoshtec.com/japanologie/frauenwahlrecht.pdf

 

Stand: 30.04.2003
Inhaltsverzeichnis

 

1.    Einleitung........................................................................................... 3

2.    Geschichte des Frauenwahlrechts....................................................... 3

3.    Post Wahlrecht Entwicklung............................................................... 9

3.1.  Die ersten Wahlen....................................................................... 9

3.2.  Frauen in der Politik................................................................... 10

4.    Japan im internationaleren Vergleich.................................................. 11

5.    Schlusswort..................................................................................... 12

6.    Tabellen........................................................................................... 13

7.    Literaturverzeichnis........................................................................... 15

8.    Personenverzeichnis......................................................................... 15
1.
Einleitung

In dieser Hausarbeit wird nachgestellt, wie die Frauen in Japan zum Wahlrecht gekommen sind. Das Wahlrecht wurde 1945 durch die Amerikaner eingeführt , doch bis dahin sollte es ein langer Weg der japanischen Frauen sein, denn schon in der mittleren Meiji-Zeit bemühten sich Pionier-Frauen um dieses demokratische Grundrecht. Um einen kompletten Überblick zu gewährleisten, wird seit diesen ersten Gedanken die Geschichte dargelegt. Wobei ich immer wieder auf das sich ändernde Frauenbild der Zeit eingehe und den Kampf der Frauen in Bezug mit der gleichzeitig stattfindenden rasanten Industrialisierung, und der damit verbundenen aufkommenden Arbeiterschaft setze. Im dritten Teil soll dann ein Überblick über die Entwicklung der Frauen in der Politik nach dem Wahlrecht gegeben werden. Der vierte Teil soll ein Vergleich Japans zu einem internationalen Kontext gegeben werden.

 

2. Geschichte des Frauenwahlrechts

Die Legitimation des Frauenwahlrechts fand erst 1945 durch die amerikanische Besatzungsmacht statt, infolge der totalen Kapitulation Japans, erste Bemühungen, neben dem eingeschränkten Wahlrecht für Männer ebenfalls ein Frauenwahlrecht zu etablieren, gab es schon während der Meiji-Zeit (1868 – 1912). Als die Meiji-Restauration 1889 die neue Verfassung einsetzte, in der das Unterhaus im Dienste des Kaisers beschränkte Autorität besaß, wurde im gleichen Zuge ein Wahlrecht eingeführt, welches jedoch nicht an alle Bürger vergeben wurde. Ausschließlich reichen Männern gehobenen Standes, wurde, das nach der Vermögensteuer gerichtete Wahlrecht zuteil (Bernstein 1991: 154). Ein Frauenwahlrecht wurde dabei nicht einmal in Erägung gezogen (Pharr 1981: 18). Durch das vom Parlament im Jahr 1900 erlassene Polizeigesetz (chian keisatsu hō), wurde Frauen gar jegliche politische Aktivität untersagt. Es war Frauen weder gestattet, an Versammlungen, bei denen politische Fragen diskutiert wurden, teilzunehmen, noch in Parteien einzutreten (Bernstein 1991: 155). Verwunderlicherweise aber sandte die Meiji-Restauration im Jahre 1871 fünf junge Frauen zur Ausbildung nach Amerika. Diese Maßnahme verwunderte auch einige Japaner selbst und brachte den Vorwurf auf, dass dies nur geschah um das Bild von Japan im Westen zu verbessern (Pharr 1981: 17). Ein frühes Aufkommen des Frauenwahlrechts wurde 1876, in der Gründungszeit der Präfekturen, in der Hamamatsu-Präfektur registriert, doch durch den Zusammenschluss mit der Shizuoka-Präfektur wurde es wieder verworfen (Pharr 1981: 17). Im Jahr 1888 wurden zwei Dörfer in der Kōchi-Präfektur von der Lokalregierung angewiesen, ihr bestehendes Recht für Frauen, zu wählen und zur Wahl anzutreten, zu streichen (Bernstein 1991: 155). Hätte die Regierung ein Frauenwahlrecht zu dieser Zeit anerkannt, hätte Japan damit viel früher als fast alle westlichen Staaten - einschließlich Deutschlands - dieses Grundrecht gewährt.[1] Stattdessen suchte die Regierung nach Gründen, ein stärkeres Engagement der Frauen in der Politik zu verhindern. Einer der Hauptgründe sah man in den vorangegangenen Unruhen, wie sie in Europa zu verschiedenen Gelegenheiten auftraten, und nun mit der Angst vor radikal-feministischen Gruppen, die gar Gewaltbereitschaft inne haben hätte können, in Verbindung gebracht wurden (Bernstein 1991: 156-157). Als weiteres Argument gegen das Frauenwahlrecht sah man die zu gewichtige Rolle der Frau bei der verwaltung des Haushalts und bei der Erziehung der Kinder, die keinen Raum mehr ließe für politisches Engagement. Unter dem Schlagwort „Good Wife, wise Mother“ (ryōsai kenbo), brachte das Ministerium für Erziehung eine Doktrin hervor, die Frauen dementsprechend erziehen sollte. (Bernstein 1991: 153). Während der Zeit wurde die bereits bestehende vierjährige Schulpflicht auf sechs Jahre erhöht, jedoch gingen noch im Jahre 1890 nur etwa dreißig Prozent der Mädchen zur Schule. Dieser Anteil wurde bis 1910 schließlich auf knapp 98 Prozent angehoben. Zusätzlich gab die Regierung die Anweisung, in jeder Präfektur eine höhere Schule für Mädchen zu errichten, deren Lehrplan vordergründig das korrekte Führen des Haushalts enthielt. Des weiteren sollten die Schulen Wesen und Charakter der Mädchen bilden, auf dass sie zu guten Ehefrauen würden. Die schulische Erziehung der Frauen war in keiner Weise auf eine weiterführende zum Beispiel universitäre Ausbildung ausgerichtet, dies blieb weiterhin ein rein männliches Privileg. Man legte Wert darauf, den Schülerinnen gerade soviel wie nötig beizubringen, aber auch nicht mehr (Bernstein 1991: 158). Es wurden also die traditionellen Familienwerte gefördert und von der Frau wurde erwartet, dass sie den Haushalt sauber halte und die Kinder erziehe, aber auch dass sie sich für das Wohl des Staates aufopfere.

         Zum Russisch-Japanischen Krieg wurde die Frau als Kriegshelferin im eigenen Lande institutionalisiert. Die Kaiserin ging mit gutem Beispiel voran und stellte einige ihrer Angestellten zur Verfügung, um Verwundete und Kranke in ganz Japan zu besuchen, sowie eine Kiste mit Verbänden, die von den Prinzessinnen höchstpersönlich eingerollt wurden. Weitere Unterstützung erfuhr der Krieg durch die Ladies’ Patriotic Organization, die zwar eine private Organisation war, aber durch den Staat so sehr gefördert wurde, dass sie ebenso staatlich hätte sein können. Die Frauen der Organisation kümmerten sich vor allem um die Moral der Soldaten, indem sie Soldaten verabschiedeten und wieder willkommen hießen, die Kranken besuchten und Siegesfeiern veranstalteten. Eine weitere Organisation war das japanische Rote Kreuz, das sich mit seinen Krankenschwestern um die Verwundeten kümmerte, dabei wurde mit Hilfe der Frauen der Oberschicht die Krankenpflege als besonders feminin dargestellt (Bernstein 1991: 162). Um die Unterstützung noch weiter zu erhöhen, wurden Frauen geehrt, die sich in besonderer Weise für den Staat oder ihre Familie aufopferten. In einer Zeitung namens Shimin wurde eine Frau als Heldin dargestellt, die durch selbstloses Sparen und harte Arbeit zehn Yen an den Militär-Fonds spendete (Bernstein 1991: 167).

         Da das Polizeigesetz Frauen verbot, politisch aktiv zu werden, war natürlich auch jeglicher Widerstand gegen selbiges illegal. So gründete Hiratsuka Raichō (1886 – 1971) 1911 die Gruppe Seitōsha (Bluestockings), die mit ihrer Publikation Seitō literarisch begabten Frauen eine Grundlage lieferte, um ihre Texte an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Name der Gruppe war angelehnt an einen literarischen Damenkreis, der sich um 1750 in London bildete, und später weitere Nachahmer fand (Pharr 1981: 18). Auch heute wird der Begriff Bluestockings noch als Synonym für „a woman having intellectual or literary interests[2]“ verwendet.  Innerhalb von kurzer Zeit entwickelte sich Seitō zu einem Diskussionsforum der „neuen Frau“ (atarashii onna). In diesem Zuge bot es eine hervorragende Grundlage um Kritik am aktuellen System zu üben. Eine der ersten Frauen, die regelmäßig Texte in Seitō veröffentlichte, war Yosano Akiko (1878 – 1942) (Bernstein 1991: 178). Als ein Beispiel einer atarashii onna, wollte Yosano vor allem finanzielle Unabhängigkeit und Gleichberechtigung erreichen. Doch war auch das Lager der Frauenbewegung nicht geeint. So lieferte sich Hiratsuka mit Yosano ein literarisches Duell. Yosano war der Ansicht, dass die Frau komplett unabhängig sein sollte und auch nicht durch den Staat speziell geschützt werden sollte, wenn sie Mutter werden würde, oder während der Schwangerschaft. Sie sah diese Art der speziellen Beschützung als eine erneute Abhängigkeit, die sie aus dem gleichen Grund ablehnte, wie die finanzielle Abhängigkeit vom Familienvater. Ihr Standpunkt beruhte darauf, dass Mann wie Frau dafür verantwortlich seien, zur Versorgung der Kinder ein ausreichendes Einkommen zu haben, und dies nicht nur für die aktuelle Situation sondern auch langfristig. Demnach sollte man erst Kinder zeugen, wenn dies gesichert sei (Bernstein 1991: 192). Ihre Vorstellungen entstanden aus eigener Erfahrung, da sie und ihr Mann mit ihren elf Kindern aufgrund ihrer begrenzten finanziellen Mittel zeitweise einen sehr kargen Lebenswandel führen mussten. Diese Situation beschrieb sie ebenfalls in einem ihrer Texte. (Bernstein 1991: 191). Hiratsuka hingegen war der Ansicht, dass gerade wegen der speziellen Aufgabe als Mutter, die Regierung die Frauen zu schützen habe. Auf Yosanos Bemerkungen reagierte Hiratsuka damit, dass sich vielleicht Yosano und wenige andere starke Frauen dieses Idealbild leisten und auch erfüllen könnten, aber für alle anderen, vor allem die ärmeren Arbeiterinnen, sei dies nicht möglich und so müsse man zunächst  diesen Schutz einführen, bis die Arbeitsbedingungen und der Lohn für Frauen verbessert würden (Bernstein 1991: 193). Durch die ständige staatliche Zensur (Pharr 1981: 18), sowie den größer werdenden Druck der Gegner der atarashii onna, der durch Anschuldigungen in der Presse gegenüber Hiratsuka und den partizipierenden Schriftstellerinnen entstand (Bernstein 1991: 177), wurde schließlich im Februar 1916 die Zeitung eingestellt und die Gruppe aufgelöst (Pharr 1981: 18). Während dieser Zeit gab es in den zahlreichen Textilfabriken, in denen die Belegschaft bis zu 75 Prozent aus Frauen bestand, immer wieder Auseinandersetzungen mit der Betriebsleitung. Die Arbeiterinnen forderten eine bessere Nahrungsmittelversorgung und kürzere Arbeitszeiten. Doch auch die Männer protestierten gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und entschlossen sich eine Gewerkschaft zu gründen, interessanterweise aber wurden die Frauen von den Gewerkschaften ignoriert (Gordon 1991: 76-77).

         Ebenso waren es nicht nur die Frauen, die in der Taishō-Zeit (1912 – 1926) ihre Rechte zu erweitern versuchten, denn bis 1925 gab es nur ein Wahlrecht für Personen, die genug Vermögenssteuer zahlen konnten. Wodurch es zu zahlreichen Versammlungen in Tōkyōs Hibiya-Park kam, die ein Wahlrecht für Männer postulierten (Gordon 1991: 44). Allerdings zeigt Gordon (1991:  133-135) auch, dass die Forderungen auf das Recht, Gewerkschaften zu gründen, immer stärker wurden und bald die Arbeiter und die Befürworter des Wahlrechts verschiedene Veranstaltungen organisierten, was jedoch zu einer Abnahme der Beteiligung in Versammlungen bezüglich des Wahlrechts führte. So fielen die Besucherzahlen der Wahlrecht Veranstaltungen von ehemals 10.000 bis 50.000 bis auf 2.000 im Jahr 1924 (Gordon 1991: 134).

         Hiratsuka Raichō war derweil nicht untätig und gründete zusammen mit Ichikawa Fusae (1893 – 1981) im Jahr 1919 die Shin fujin kyōkai (New Women’s Association), mit dem vorrangigem Ziel, eine Änderung des Polizeigesetzes zu erreichen. Drei Jahre nach der Gründung wurde schließlich das Gesetz dahingehend geändert, dass fortan Frauen zumindest an politischen Organisationen teilnehmen und selbst Veranstaltungen organisieren durften, jedoch verbot das Gesetz den Frauen weiterhin Parteien beizutreten (Pharr 1981: 19). Ichikawa reiste kurz vor der Änderung nach Amerika ab, um sich dort mit führenden Frauenwahlrechtlerlinnen zu treffen, 1924 kehrte sie zurück, um ihre Arbeit fortzusetzen, und gründete 1925 die Liga für Frauenwahlrecht (fusen kakukoto dōmei), um weiteren Druck auf die Regierung auszuüben (Bernstein 1991: 259). Ihre Bemühungen sollten Erfolg ernten, denn 1928 unterstützte die größte Partei im Parlament, die Seiyūkai, das Frauenwahlrecht. Ichikawa nannte diese Zeit selbst „Period of Hope“. Die Gesetzesänderung bekam, im Unterhaus sogar eine Mehrheit, doch im Oberhaus wurde der neue Gesetzesentwurf mit 184 zu 62 Stimmen gestoppt (Pharr 1981: 20).

         Nach der atarashii onna bildete sich ein neues Frauenbild, das modaan gaaru (Modern Girl). Die Frauen, die dazu gehörten, zeichneten sich durch ihre Eigenständigkeit und durch die Ablehnung der Mutterschaft aus. Ein modaan gaaru hatte kurze Haare und geizte nicht mit ihren weiblichen Reizen (Bernstein 1991: 242). Dabei wurde ihr nachgesagt, dass sie auf keinen Fall politisch sei und auch keine großen intellektuellen Ansprüche habe (Bernstein 1991: 240). Hiratsuka selbst charakterisierte das „Modern Girl“ als Tochter einer „New Woman“ und zeigte auf, dass auch eine solche Frau nicht wirklich frei sei. Sie sei lediglich das Objekt der männlichen Begierde. Zusätzlich versuchte Hiratsuka, ein Idealbild des modaan gaaru zu formen, das sich auf die soziale Frau stützen sollte. Dabei ging sie davon aus, dass sich diese Frauen unter der Arbeiterklasse finden würden (Bernstein 1991: 249).

         Tatsächlich schafften es die weiblichen Arbeiterinnen, ihren politischen Forderungen zunehmend Gewicht zu verleihen. Wurden sie zum Ende der Dekade von 1910 bis 1920 noch von den meisten Arbeiterversammlungen und Gewerkschaften ignoriert, bildete sich bis zum Ende des Jahres 1930 eine stetig steigende Anzahl von Frauengruppen, sowie eine stärkere Partizipation an Streiks und Kundgebungen, die in dem großen Streik des staatlich unterstützten Textilfabrikanten Tōyō Muslin gipfelte (Bernstein 1991: 235; Gordon 1991: 212-214).

         Das Gesetz, welches Frauen ermöglicht hätte zu wählen, wurde, wie weiter oben bereits erwähnt, abgelehnt. Ebenso wurde im selben Jahr im Oberhaus ein Gesetz abgewiesen, das Gewerkschaften anerkannt und die Rechte der Farmer erweitert hätte (Gordon 1991: 263). Ein Versuch, das Frauenwahlrecht in einer der nachfolgenden Sitzungen erneut aufzulegen war zwar angedacht worden(Pharr 1981: 19), doch sollte es soweit nicht kommen, denn am 15. Mai 1932 wurde der amtierende Premierminister der Minsetō Partei durch junge Marineoffiziere ermordet. Das Militär verhinderte eine neue Parlamentsbildung und am 26. Mai installierte es General Saitō Makoto (1858 – 1936) als neuen Premierminister, mitsamt einem neuen Kabinett, das aus nur 5 Mitgliedern bestand (Gordon 1991: 265). Von nun an war jegliche Hoffnung auf ein Frauenwahlrecht verloren, denn die rechte Regierung förderte nur, was den expansionistischen Visionen entsprach. So wurden alle Gewerkschaftsbewegungen in patriotische Organisationen umgemünzt, wie die „Patriotic Labor Organization“ zeigt. Ebenso erstaunlich erscheint, dass die, die noch zuvor kurzen für einen besseren Arbeitsplatz und höhere Löhne in den Straßen Tōkyōs gekämpft hatten, nun bereit waren, im Winter von 1933 auch an Sonn- oder Feiertagen zu arbeiten und diese Löhne den Verteidigungs-Fonds der Armee zu spenden (Gordon 1991: 277).

         Das Bild der Frau wurde nun umso mehr durch die Phrase „Good wife, wise Mother“ von der Regierung beeinflusst. Man erhoffte sich nicht nur starke neue Soldaten, sondern wollte auch die Nation in ihrem Ganzen weiterbringen und dies konnte nur mit einer zahlreichen Bevölkerung geschehen. Ähnlich wie in Deutschland während dieser Zeit versuchte das Regime, die Frau als Mutter des Volkes darzustellen. Phrasen wie „umeyo huyaseyo” (give birth and multiply) sowie „kokkateki bosei no kōzō” (motherhood in the interest of the state) sind ein eindeutiger Beleg für diese Politik. Die Ähnlichkeit mit Deutschland setzt sich in anderen Bereichen fort. Beide Länder konnten nicht genug Arbeitskräfte aufweisen, da die Männer, die vorher den größten Teil der Produktion erbrachten nun im Militär ihren Dienst verrichten sollten, man aber die Mutter so weit schützen wollte, dass man auf keinen Fall diese Lücke mit Frauen auffüllen mochte (Bernstein 1991: 271). Ebenso wollte man eine Art Qualitätssicherung der Kinder erhalten und erließ eine Reihe von Gesetzen, die Geburtenkontrolle, eine Eugenik und einen Mutterschutz beinhalteten (Homei 2000: 11-12; Bernstein 1991: 277-279). Allerdings konnte Japan das Defizit an Arbeitskraft nicht auf andere Weise kompensieren und musste somit Frauen dafür einsetzen (Bernstein 1991: 282). Alle Frauenbewegungen, die vor dem Krieg für ihre Rechte kämpften, wurden unter staatlicher Aufsicht in die Dai nihon fujinkai (Greater Japanese Women’s Association) zusammengefasst, überraschenderweise war eine der Schlüsselfiguren in dieser Organisation Ichikawa Fusae (Bernstein 1991: 273).

         Nach der Zustimmung des Kaisers zur totalen Kapitulation im Jahre 1945, begann damit eine neue Ära für Japan; die amerikanischen Besatzer machten sich sofort daran, eine neue japanische Verfassung zu erstellen. Diese Verfassung, deren Hauptverfasser der Supreme Commander for the Allied Powers, General Douglas MacArthur (1880 – 1964) war beinhaltete unter anderem das Wahlrecht für Frauen (Pharr 1981: 23; Neumann 2002: 76).

 

3. Post Wahlrecht Entwicklung

3.1 Die ersten Wahlen

Teile der Besatzungsmacht zweifelten, ob diese schnelle Änderung der politischen Rechte der Frau von dieser überhaupt so schnell aufgenommen und auch ausgeführt werden könne. Die amerikanische Besatzungsmacht erhoffte sich durch die Entscheidungskraft der Frauen einen stabileren, aber vor allem nicht kriegerischen Staat. Und so wurden mit Spannung die ersten Wahlen erwartet. Ichikawa Fusae selbst prognostizierte, dass nur etwa zehn Prozent der japanischen Frauen wählen gehen würden. Doch es sollte anders kommen, denn an der ersten Wahl beteiligten sich bereits 67 Prozent der wahlberechtigten Frauen. Den weiteren Verlauf kann man leicht an Tabelle 1 ablesen (Pharr 1981: 23; Siehe dazu ebenso Tabelle 1). Diese Entwicklung warf einige Fragen auf, vor allem aus welchen Beweggründen die Frauen an den Wahlen teilnahmen und warum sich die Differenz der weiblichen Wahlbeteiligung zur männlichen so schnell anglich. Pharr (1981: 27-30) zeigt auf, dass diese Entwicklung im internationalen Vergleich mit anderen Ländern, die solche Daten, getrennt nach Geschlechtern angeben können und kurz nach der Gewährung des Frauenwahlrechts, sehr gut dasteht. Um die Frauen zum Wählen zu animieren, wurde eine Kampagne mit Frauen, die vormals in Frauenwahlrechtsbewegungen aktiv gewesen waren, gestartet. Sie reisten im lande umher, und hielten Ansprachen im Radio, stets um eine rege Beteiligung der Frauen werbend. Gleichzeitig wurden Filme über die Wahlrechtsbewegung vor dem Krieg gedreht (Pharr 1981: 30). Über die Ergebnisse dieser Werbung schreibt Pharr:

        
It is little wonder that Japanese women by the late 1940s were telling social scientists that “not voting is a bad thing.” The message from above was that voting was a major responsibility that women should shoulder if Japan was to become a democratic and peace loving society. Although most members of the occupation would have been the last to see themselves as radical feminists, the program they set in motion to alter sex-role stereotypes and to redefine voting as highly appropriate and essential activity for women my have been more extensive than anything attempted elsewhere in the area of political role change for woman. (Pharr 1981: 30)

Dies erscheint vollkommen zuzutreffen, denn die Änderung des Wahlverhaltens ist extrem, wenn man die männliche Hegemonie in der Politik und das Frauenbild der Meiji-Zeit betrachtet und im Vergleich zu der großen Frauenbeteiligung an den Wahlen im Nachhinein sieht.

         Ebenso turbulent wie die plötzliche Änderung der Rechtssituation, verhielt es sich in den direkten Nachkriegsjahren auch mit der Regierung. Das Wahlsystem wurde zweimal in Folge geändert, einmal 1945 und ein weiteres Mal 1947 (Kohno 1997: 30).

 

3.2 Frauen in der Politik

Während bei der Wahlbeteiligung von Mann und Frau, wie in Tabelle 1 zu sehen ist, eine schnelle Approximation zu verzeichnen war, ging die Entwicklung in der Regierungselite keinesfalls in gleicher Weise voran. Auf Tabelle 2 ist der Verlauf der weiblichen Mitglieder im Parlament sowie im Oberhaus dargestellt. Die Frauenquote steigt zwar im Parlament stetig, doch bilden Frauen in beiden legislativen Verwaltungsorganen noch immer eine starke Minderheit. Dabei kann dieses Verhalten nicht wirklich an der politischen Partizipation der Frauen festgemacht werden, denn die Wahrnehmung, dass Politik wichtig ist, kann hier nicht geschlechterspezifisch betrachtet werden, sonst würde sich dies in gleicher Art in den Wahlbeteiligungen niederschlagen. Entsprechend verhält es sich mit der Teilnahme in den Parteien nach Tabelle 3. Würden die Frauen nun gleich anteilig von ihren Parteien eingesetzt werden, so müsste das Parlament etwa vierzig Prozent Frauen aufweisen.

 

 

 

4. Japan im Internationalen Vergleich

Es ist durchaus Ichikawa Fusae[3] zu verdanken, dass Japan 1980 die „Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women“ (CEDAW) unterzeichnete und nachdem Ichikawa 1981 starb, wurde 1985 die Konvention im japanischen Parlament ratifiziert.[4] Die Konvention gibt in verschiedenen Bereichen vor, wie Diskriminierung von Frauen unterbunden werden sollte, vor allem im politischen Sektor fordert sie Egalität und forciert die Parität im politischen und öffentlichen Leben. In den Reporten, die die verschiedenen Staaten periodisch auf den Treffen vorlegen, werden daher Daten gefordert, die aufzeigen, inwieweit sich Frauen auf nationaler Ebene in der Staatsadministration und am politischen Leben beteiligen[5] (Artikel 7). (An dieser Stelle sei noch kurz bemerkt, dass Amerika als einzige Industrienation die Konvention nicht ratifiziert hat.)

         Im Gegensatz zu den meisten Ländern, für die Wahldaten getrennt nach Geschlechtern verfügbar sind, ist Japans Wahlbeteiligung der Frau sehr hoch, in manchen Wahlen sogar über der Wahlbeteiligung von Männern. (Staaten mit nahezu gleicher Beteiligung sind zum Beispiel Deutschland und Israel, eine Lücke weisen die meisten kleineren Staaten sowie unter anderen Schweiz und Italien auf).[6] Dabei ist aber ein Negativtrend in der Gesamt-Wahlbeteiligung zu bemerken, diesen Trend kann man in direkten Bezug zu der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik bringen (Neumann 2002: 78), sowie weiteren Auswirkungen durch Massenmedien und einer Lagerbildung der Wählerschaft (Neumann 2002: 104-105).

         Allerdings ist die Verbreitung von Frauen in den höheren Levels der Verwaltung sehr gering. Dies ist sicherlich ein Internationales Problem, die große Mehrheit der Berichte der CEDAW[7] zeigen auf, dass Japan keine isolierte Position innehat.

         Im internationalen Vergleich des Frauenanteils im Parlament ist Japan allerdings im unteren Segment anzuordnen. Auf der ständig aktualisierten Liste der Interparlamentary Union (IPU) wird Japan mit 7,3 Prozent im Parlament und 15, 4 Prozent im Oberhaus auf Platz 97 geführt. Deutschland befindet sich mit seinen 32,2 Prozent im Bundestag und 24,6 Prozent im Bundesrat auf Platz zehn. Die Führende Nation ist Schweden, wo das Parlament zu 45,3 Prozent aus Frauen besteht.[8] Der Durchschnitt aller Länder liegt bei nur marginalen 15,2 Prozent und damit liegt Japan mit mehr als dem zweifachen unter diesem.[9] (Stand vom 28.3.2003)

 

 

5. Schlusswort

Die Dynamik betrachtend, mit der sich in einer relativ kurzen Zeitspanne, das Frauenbild, beziehungsweise die Frauenrolle in Japan grundlegend verändert hat, von der „Good Wife, wise Mother“-Ideologie über atarashii onna und modaan gaaru hin zur politisch verantwortlichen Nachkriegsfrau, die den Frieden in Japan nach dem Willen der Amerikaner festigen sollte, ist es sehr verwunderlich, dass dich bis heute noch derart wenige Frauen an der Spitze der japanischen Regierung finden. selbst solch politischen Pionieren wie Ichikawa Fusae scheint es nicht gelungen zu sein, eine über das Wahrecht hinausreichende Ideologie an das Volk zu vermitteln. Es werden wohl noch einige Generationen vergehen, bis der Artikel 7 aus der CEDAW gestrichen werden kann. Dazu bleibt als Kommentar nur ein letztes Zitat von Ichikawa: „Women’s Suffrage is the Key!“


6. Tabellen

http://www.mofa.go.jp/policy/human/women_rep5/058.html

Tabelle 1 - Women's participation in elections for the House of Representatives and house of councilors

Quelle:          The Ministry of Foreign Affairs of Japan

                        http://www.mofa.go.jp/policy/human/women_rep5/058.html     PDF <


Tabelle 2 - Number of female diet members

Quelle:          The Ministry of Foreign Affairs of Japan

                        http://www.mofa.go.jp/policy/human/women_rep5/059.html     PDF

 

 

Tabelle 3 - Number of female diet members

Quelle:          The Ministry of Foreign Affairs of Japan

                        http://www.mofa.go.jp/policy/human/women_rep5/060.html     PDF

7. Literaturverzeichnis

BERNSTEIN, Gail Lee (Hg.) (1991): Recreating Japanese Women 1600-1945. Berkeley: University of California Press

GORDON, Andrew (1991): Labor and Imperial Democracy in Prewar Japan. Berkeley: University of California Press

HOMEI, Aya (2000): Giving Birth to a Rich Nation and Strong Soldiers: Midwives and Nation Building in Japan between the Meiji Period and the 1940s. http://www.chstm.man.ac.uk/people/homei/paper.pdf (26.04.2003)     (local)PDF

KOHNO, Masaru (1997): Japan's Postwar Party Politics. Princeton: Princeton University Press

NEUMANN, Stefanie (2002): Politische Partizipation in Japan. Politische Aspekte Japans 1. Bonn: bonndai.de

PHARR, Susan J. (1981): Political Women in Japan - The Search for a Place in Political Life. Berkeley: University of California Press

 

 

 

 

8. Personenverzeichnis

Name................................... Kanji........................... Daten......................................... Seiten

Hiratsuka Raichō.................. 平塚雷鳥................... (1886 – 1971)........................... 5, 6, 7

Ichikawa Fusae ................... 市川房枝................... (1893 – 1981)................... 7, 9, 11, 12

MacArthur, Douglas................................................. (1880 – 1964)................................... 9

Saitō Makoto....................... 斎藤實....................... (1858 – 1936)................................... 8

Yosano Akiko...................... 与謝野晶子............... (1878 – 1942)............................... 5, 6